
Blog als Therapie? Ein Seelen-Striptease
So, jetzt mache ich mich nackig. Nein, keine Angst, nur mit Worten.
Wer mich näher kennt oder länger folgt, weiß, dass ich unter einer hypochondrischen Angststörung leide. Ich mache da (seit einigen Jahren) kein Geheimnis mehr draus. Denn es bringt ja nichts, wenn man grübelnd und depressiv irgendwo herumhängt und keiner weiß, was eigentlich los ist.
Diese Phasen mit Ängsten vor Krankheiten sind bei mir mal mehr und mal weniger stark ausgeprägt. Und ich weiß eigentlich gar nicht genau, wie lange ich schon daran leide. Es müssen Jahrzehnte sein, wo jedes Wehwehchen am Körper bei mir direkt Katastrophengedanken ausgelöst haben. Eine ganz schlimme Phase dieser Krankheit hat bei mir die Pandemie ausgelöst. Das war natürlich Wasser auf die Panik-Mühlen in meinem Kopf. Das habe ich aber recht flott durch eine Gesprächs-Therapie in den Griff bekommen.
Danach verlief es in den letzten Jahren recht ruhig, bis in den November 2024. Da kam die Hypochondrie wieder voll durch, getriggert durch mehrere Kleinigkeiten. Und so schlimm wie im abgelaufenen Winter hatte ich das noch nie. Es war nicht nur die Grübelei über mögliche schlimme Dinge, es kamen auch noch depressive Phasen dazu, wo ich zu nichts mehr Lust hatte. Schnell war klar, ich brauche professionelle Hilfe, um aus dem Loch wieder herauszukommen. Also begann die Suche nach einem Therapieplatz. Joa, ich sag mal, einfach ist anders. Das wäre fast einen eigenen Blogbeitrag wert, der aber zu einem Rant werden könnte. Besonders die Zusammenarbeit mit der Krankenkasse und auch mit der 116117 als Anlaufstellen würden da einige negative Gefühle triggern.
Im Januar bin ich dann aber fündig geworden und habe eine tolle Therapeutin gefunden, die auch noch einen freien Platz für mich hatte. Und dann passt es auch menschlich noch. Ich denke, wir können sehr gut zusammenarbeiten. Dort habe ich nun mit einer kognitiven Verhaltenstherapie begonnen. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es dabei, sie hat keine Kassenzulassung. Ich bezahle die Therapie nun aus eigener Tasche. Und ja, ich weiß, man kann auch bei der Krankenkasse die Übernahme der Kosten beantragen. Habe ich versucht bei der Techniker. Vergesst es – kennt Ihr Obelix und das Formular A38? So kam ich mir bei der Korrespondenz und den Telefonaten vor.
Blog als Teil der Therapie
Bereits im Dezember habe ich bei zwei Erstgesprächen und in einem Videokurs den Tipp aufgenommen, sich mit irgendwas abzulenken, um das Kreiseln der Gedanken zu unterbrechen. Dabei sollte das etwas niederschwelliges sein, was man auch gut alleine machen kann.
So bin ich wieder hier aktiv geworden. Erst mit dem Gedanken, den Blog optisch ein wenig umzubauen, und dann ging auch schnell die Schreiberei los. Zudem bin ich wieder in die Blogger-Community eingetaucht. Auch das bietet viele schöne Momente, wo ich nicht an irgendwelche Probleme denke.
Denn schnell war klar, arbeite ich hier am Blog oder schreibe in Foren, sind alle negativen Gedanken zur Seite geschoben. Der Kopf hat gar keine Zeit mehr zum Grübeln. Wenn ich hier sitze und arbeite, tja, dann geht es mir gut. Und mit der Zeit hat sich bei mir im Kopf offensichtlich der Gedankenfokus schon ein wenig verschoben. Denn auch in den Zeiten, wo ich nicht hier am Blog oder für das Büro arbeite, geht es mir besser.
Erst gestern hat mir meine Therapeutin dann bestätigt, dass der Kopf durch solche „positiven“ Ablenkungen umkonditioniert wird. Der Fokus der eigenen Gedanken, die auch wirklich verarbeitet werden, verschiebt sich. Natürlich ist es nicht nur das Bloggen alleine, da kommen mehrere Faktoren – auch aus der Therapie – zusammen. Am Ende bin ich aber mit dem Ergebnis zufrieden und fühle mich auf einem richtigen Weg.
Danke fürs zuhören bzw. zulesen. :-)
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Ui, erst einmal respekt zu deiner Offenheit. Mensch, da hast du ja schon einiges durch. Aber schön, dass du Erfolgserlebnisse hast und vor allem auf dem richtigen Weg bist.
Dazu kann ich nur sagen, Kopf hoch und weitermachen. :-)
Und falls du im Forum mal unterfordert sein solltest, Gib Bescheid, ich habe einen Haufen Zeugs, worüber man schnacken könnte. :-)
Och, Langeweile habe ich gerade nicht. Aktuell spiele ich wieder mit den Farben rum. Dunkelgrün als Komplementärfarbe zu Dunkelrot sieht schon cool aus.
Schön, dass es dir dank der Therapie wieder besser geht. Stimmt, das mit den Therapieplätzen ist wirklich Glückssache. Darüber sollten sich die Politiker mal Gedanken machen und nicht über die ach so böse Migration. Denn viele Migranten sind auch oft traumatisiert und drehen deswegen manchmal durch.
Yep, zumal es viele Therapeuten gibt. Nur haben eben auch viele keine Kassenzulassung.
Ja?
Hi Tommi, danke für diesen guten Beitrag und deinen Mut, so offen mit dem Problem umzugehen. Gratuliere dazu, dass du eine Therapeutin gefunden hast, mit der du gut klar kommst. In den Nerv mit der KK würde ich mich auch nicht verbeissen wollen, wenns auch anders geht!
Immerhin hat die Bloggerszene einen Aktiven dazu gewonnen – das ist doch wunderbar! Würden mehr Leute das Bloggen therapeutisch nutzen, wäre das sicher ein Gewinn für die Welt!
Wünsche dir weiter viel Freude am Bloggen und lese gerne mit!
Ich habe es viel zu lange in mich reingefressen. Es tut sehr gut, damit offen umzugehen-
Oh Mann….wenn du irgendwas gebrochen hast, machste nen Gips drum, wartest etwas und dann ist fertig. Alles sehen es, alle verstehen es, keiner stellt Fragen. Ist im Kopf was durcheinander, gehen dir gefühlt alle auf den Sack, weil keiner Bescheid weiß. Kenn ich….Um so beachtenswerter finde ich es, wie du da ganz offensiv mit umgehst. Mach weiter so, wenn es für dich gut ist und von mir jedenfalls viel Respekt und gute Gedanken für dich.🤘🤘🤘
Seit ich damit so offen umgehe, stosse ich meist auf Verständnis. Vielleicht nicht für die Ursache, das ist für einen nicht betroffenen Menschen auch schwer zu verstehen. Aber immerhin dafür, dass es mir gerade nicht gut geht.
Bei einigen stosse ich schon auf Verständnis und insgesamt war es wohl die richtige Entscheidung, offener mit meiner Depression umzugehen. Es gibt allerdings leider immer noch Fälle, wo das nicht der Fall ist. Vor ein paar Tagen habe ich mir von einer Kollegin anhören müssen, wenn ich nicht belastbar sei, solle ich doch hier nicht arbeiten (weil ich gesagt habe, dass ich z.Zt. nur begrenzt Überstunden machen kann, auch wenn es krankeitsbedingte Ausfälle gibt). Da bin ich sauer geworden. Der Kollege, der 8 Wochen wegen Knieoperation/Reha ausfällt, bekommt sowas nicht zu hören. Das Knie darf kaputt sein, die Seele nicht.
Wenn das nochmal vorkommt, werde ich mich an den Vorgesetzten wenden, Betriebsklima hin oder her.
das geht ja gar nicht!
Überstunden sind auch freiwillig.
So offen zu sein erfordert eine Menge Mut. Das verdient Respekt.
Danke John. Mir hilft es aber tatsächlich auch mit der Krankheit umzugehen und sie zu akzeptieren. Denn sie wird immer Teil meines Lebens sein.
Puh, ja – Therapieplätze und Facharzttermine sind nichts, was man als Kassenpatient innerhalb der nächsten 12 Monate brauchen sollte… gut, dass du trotzdem eine Lösung für dich gefunden hast.
Ein Satz, der bei mir mal hängengeblieben ist und ganz viel verändert hat: „Glaube nicht alles, was du denkst.“ Vielleicht kannst du mit dem ja auch etwas anfangen.
Alles Gute dir!
Der Satz begrüßt mich jedes Mal auf dem Sperrbildschirm meines iPads. Ich glaube, der ist von Heinz Erhard.
@blog @jansenspott Es ist immer wieder faszinierend, wie vielfältig Blogs und Blogger:innen sind und wie unterschiedlich Blog genutzt werden. Vielfalt ist etwas feines 😊
Ich sehe das Schreiben auch immer als Therapie. An manchen Tagen habe ich das Gefühl, ich könnte auch so eine Therapie gebrauchen, an anderen geht es. Aber das Bloggen ist schon eine gute Sache, um den Kopf geordnet zu bekommen, auch wenn nicht alles „gesagt“ wird, so denkt man dennoch drüber nach und verarbeitet. Schön, dass du dich auf einen guten Weg befindest.
Zum Glück habe ich das Gefühl auch nicht mehr jeden Tag. Das war vor ein paar Wochen noch anders.